Der letzte schöne Tag im Jahr.

Obwohl es schon November war, war es eigentlich mehr ein goldener Oktobertag. Frische kalte Luft und der Himmel zeigte nur einzelne weiße Wolkenfetzen. Ansonsten schönes Blau.

Es ist ein Termin, aber kein normaler. Mein Bruder und ich sitzen im Auto auf dem Weg zur Beerdigung unseres Vaters.

Ich versuche mir auf die Spur zu kommen. Wie fühle ich mich?

Der Tod war erwartbar und mehr eine Erlösung.

Wir sind zu früh und können am geschlossenen Sarg etwas Zeit, alleine verbringen. Wir erzählen von früher. Wie er so war, zumindest aus unserer Sicht. Die Zeiten waren andere, Kriegsgeneration. Der Vater war bei der Marine. Zeiten, die vom Überleben müssen, geprägt waren. Das färbt auch auf die Kinder ab.

Der Rest der Familie trifft ein und es ist trotz des Anlasses, schön sich zu sehen. Wir verabreden uns für den Sommer. Alle wohnen verstreut.

Die Trauerfeier läuft reibungslos. Nicht mehr und nicht weniger. Ich denke an früher. Ich frage mich, ob er wohl wusste, wo er hingeht.

Weiß ich denn wo ich hingehe?

Kann ich denn ein wenigstens halbwegs frohes Leben führen, obwohl der Tod mit seiner Axt, eines Tages, den Lebensfaden ab trennen wird?

Wie kann das Leben einen Sinn haben, wenn ich nur ein Produkt des Zufalls bin, wenn alles nur aus Zufall entstanden ist?

Der Tod ist ein Schatten, welcher ab der Geburt über uns liegt.

Ja, durch diese Tür müssen wir alle, aber was dann?

Das Nichts?

Jetzt in der Adventszeit warten wir.

Zumindest die, die wissen, was wir an Weihnachten feiern wollen.

Und wenn dieses Kind in der Krippe dann geboren ist, wird plötzlich, zumindest im Ansatz Sinn sichtbar.

Die Aufgabe heißt Menschwerdung, für Gott und uns alle.

Ich ahne, dass es in der Menschwerdung auch um Komplettierung geht, denn ich habe das Gefühl, das uns allen etwas fehlt. Wir sind nicht ganz so, wie wir sein könnten. So, als wäre die Handbremse angezogen.

Wir ahnen nur und verstehen nicht. Wir glauben und hoffen.

In diesem Kind wird deutlich, dass die Geschichte in der wir stehen und vergehen, viel größer ist. Dass das Vergehen zum „Neu-Werden“ dazu gehört. Dass die eigentliche Geschichte, erst mit dem Tod beginnt.

Die Geschichte, um die es eigentlich geht, fängt erst an.

Dann habe ich wieder Hoffnung, an diesem letzten schönen Tag im Jahr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 65 = 71